Herstellung eines Manteau de Lit

Nach Garsault

 


Das Manteau de Lit ist neben dem Rock das einfachste weibliche Kleidungsstück des 18. Jahrhunderts, und zwar in beiderlei Bedeutung des Wortes: Einfach zu machen und vom einfachen Volk getragen. Aus Leinen oder Wolle gemacht, dient es mit einem ebenso schlichten Rock als Alltags- und Arbeitskleidung. Der Name, der "Bettmantel" bedeutet, weist darauf hin, daß es eigentlich eine Jacke war, die in besseren Kreisen zwischen Aufstehen und Ausgehen getragen wurde, ähnlich wie ein Morgenmantel. Das einfache Volk hatte es dann, aus billigeren Stoffen gefertigt, für Straßenkleidung übernommen. Da das M.d.L. recht schlabberig ist, muß man noch nicht einmal unbedingt ein Korsett darunter tragen - also geradezu ideal, um sich an den Frühstückstisch zu setzen, ohne sich gleich voll auftakeln zu müssen. Die feine Dame zieht sich natürlich später am Vormittag "richtig" an - und ihr Manteau de Lit ist aus Seide, versteht sich.

Im folgenden steht links die Originalanleitung aus L'art du tailleur von Garsault von 1769, von mir weitgehend wörtlich übersetzt. Daher die Numerierung der Abschnitte und die Verwendung ungewohnter Maßeinheiten. In Klammern habe ich die gerundeten Umrechnungen in Zentimeter angegeben. (Hier mehr Info über die Umrechnung.) Rechts steht meine modernisierte Fassung. Die Bilder sind durch anklicken vergrößerbar.


283. Das Manteau de Lit. Für ein Manteau de Lit normaler Größe, eine halbe Aune [60 cm] Länge. Die Breite je nach Maß. Länge des Ärmels ab dem Keil, ein Tiers [40 cm]. Weite des Ärmels, ein Quart [30 cm], ab dem Ellenbogen um anderthalb Pouce [4 cm] weiter werdend.

284. Das M.d.L. wird aus einem einzigen Stück Stoff gemacht, so er breit genug ist, ansonsten aus zwei Stücken. Es besteht aus zwei Vorderteilen r r, fig. 7, & aus einem Rückenteil in der gleichen Form (gepunktete Linien); es ist hier aus einem Stück dargestellt. Man macht es gewöhnlich en chemise, d.h. mit dem Anfang der Ärmel angeschnitten, die man mit zwei Stücken vervollständigt, die sich daran anschließen.

Der Schnitt weiter unten geht von 90 cm Oberweite aus. Eigentlich rechnest Du Oberweite (OW) plus 30 cm für ein relativ eng sitzendes MdL, oder plus 40-50 cm für eines, das lose genug ist, um es ohne Korsett tragen zu können. Durch vier geteilt, gibt das jenes Maß, das im Schnitt mit 30 cm angegeben ist ((90+30)/4). Im folgenden nenne ich das Körperweite. Ist Deine OW größer, nimm einfach Dein Maß und lege 30 cm (bzw. 40-50 cm**) drauf und teile das durch vier. Beim Ärmelumfang ging ich, wie Garsault, von 30 cm aus, als ich das Schittdiagramm malte. Das reicht aber nur für ein Hühnchen - die Ärmel meiner eigenen MdL sind so um die 40 cm weit. Nimm Deinen eigenen maximalen Oberarmumfang und leg ca. 5 cm drauf. Die 20 cm im Diagramm stellen den Abstand von der Achsel bis zur Taille dar. Ist Deine Taille tiefer/höher als dieses Maß, das bei 160-165 cm Körpergröße in etwa passen sollte (ein Zentimeter hin oder her macht bei einem Schlabberschnitt nichts aus), solltest Du es anpassen. Um die Ärmellänge kümmern wir uns später.

Ähnlich wie die Ärmelweite reichen die 60 cm Länge bei Garsault nur für die Wunderstumpen des 18. Jh. Entscheide, wie lang dein MdL sein soll: Gut hüftlang, mitte Oberschenkel, knapp knielang? Miß von oben auf der Schulter über die Brust bis dorthin. Wenn Dein Stoff 140-150 cm breit ist, brauchst Du doppelt so viel Stoff wie dieses Maß, also meistens um die 150-180 cm. Bei anderen Stoffbreiten puzzle bitte selber.

Der Rockteil sollte mindestens 20 cm breiter sein als der Körper, also die Stoffbreite (OW+30**)/2 + 20. Bei einer Oberweite von 120 wären das (120+30**)/2+20 = 95, d. h. bei einem 90 cm breiten Stoff hättest Du ein Problem - erst recht, wenn das MdL lose sitzen soll. In so einem Fall kaufe etwas mehr Stoff und schneide davon Streifen, die Du an den Rockteil annähst, um ihn zu verbreitern. Ein 110 cm breiter Stoff reicht auch für "stärkere Figuren" und einen losen Sitz: (130+50)/2+20=110.

 

Fig. 7

285. Breitet den Stoff aus & faltet ihn sogleich zur Hälfte über die Breite; nicht genau, sondern so, daß eine Seite die andere um etwa drei Pouces [8 cm] überragt. Schneidet die längere der Seiten entlang der Mitte durch bis zum Faltenbruch; dort angekommen, schneidet Ihr jenen Bruch um vier oder fünf Pouces [11-13 cm] nach rechts & nach links hin auf; sondann führt Ihr in der längeren Seite, ohne die andere zu beschädigen, einen Winkelschnitt a a aus. Nachdem jene so aufgeschnitten ist, führt Ihr die Vorderteile aus, wie beschrieben werden soll.

Fig. 10

Anders als Garsault habe ich den Schnitt aufgeklappt dargestellt, d.h. Du siehst hier das ganze Stoffstück flach daliegen. Du müßtest es entlang der Schulterline auf Hälfte falten, damit es so aussieht wie Fig. 7 in der linken Spalte.

Lege den Stoff zuerst entlang der Schulterlinie auf Hälfte gefaltet hin, die linke Seite nach außen, und markiere die Linie der Vorderkante genau in der Mitte. Miß von dort aus die Körperweite (OW+30**/4, hier: 30 cm) zu einer Seite hin ab und markiere sie mit einer parallel zur Vorderkante verlaufenden Linie [AB]. Miß von der Schulterlinie die halbe Ärmelweite (hier: 15 cm) abwärts und markiere sie mit einer Linie parallel zur Schulterlinie. Dort, wo sich die beiden Linien kreuzen, ist die Achsel (Punkt A) . Miß von dort aus 20 cm (oder wie lang auch immer Dein Achsel-Taille-Abstand ist) nach unten (bis Punkt B) und markiere von dort aus waagerecht nach außen die Oberkante des Rockteils (bis Punkt C). Das Rockteil sollte, wie oben ausgeführt, mindestens 20 cm breit sein und bis zu 30 - je nachdem, ob Du den Stoff entbehren kannst oder ihn zur Verlängerung der Ärmel brauchst. Von dort geht es senkrecht runter bis zum Saum. Damit hast Du eines der L-förmigen Teile markiert, die weggeschnitten werden (in meinem Diagramm grau). Stecke entlang der Linien Nadeln, damit die Lagen beim schneiden nicht geneinander verrutschen.

Ist der Stoff nicht allzu dick, kannst Du ihn nun noch einmal entlang der markierten Vorderkante falten, wiederum mit Stecknadeln gegen Verrutschen sichern und alle vier L-förmigen Teile auf einmal wegschneiden. Kleine Ungenauigkeiten machen bei diesem Schnitt nichts aus. Bei einem dickeren Wollstoff werden aus den kleinen Ungenauigkeiten leicht mal große; in diesem Fall solltest Du die Markierungen beiderseits der vorderen Mitte machen und nur zwei Lagen auf einmal schneiden. Nahtzugaben so breit, wie Du es für Kappnähte brauchst; bei gefilzten Wollstoffen reicht eine normale Naht ohne Versäuberung. An der Oberkante des Rockteils [BC] gib 2-4 cm zu.

Die zuvor markierte vordere Mitte wird aufgeschnitten und um ca. 4-8 cm (im Diagramm 8 cm) über die Schulterlinie hinausgeführt bis zu Punkt D. Von dort aus schneidet man ca. 10 cm waagerecht nach außen bis E. Das ist der Halsausschnitt. Der Garsault'sche Bohei, bei dem man zuerst nicht genau auf Hälfte faltet und dann doch wieder (285 und 287), ist damit abgefrühstückt, denn es geht dabei nur darum, daß der Vorderkanten-Schnitt über die Schulterlinie hinausgeht und der Quer-Schnitt hinter der Schulterlinie liegt, was völlig logisch ist, weil der Hals nach hinten hin Platz braucht.

286. Macht eine zweite Falte parallel zur ersten, so daß die Länge der beiden Teile ausgeglichen ist. Nun bilden jene Teile, die Ihr soeben im längeren Teil ausgeschnitten habt, zwei kleine vorspringende Rechtecke a a, die drei Pouces [8 cm] hoch und vier bis fünf Pouces [11-13 cm] breit sind. Das werden die Schulterstücke, & jene zweite Falte, welche die erste ersetzt hat, wird die Oberkante der Ärmel. Siehe fig. 10, welche eines der Vorderteile darstellt.

Fig. 11 Fig. 8 Fig. 9

Den Winkelschnitt a a (285) lassen wir erstmal außen vor, denn dessen genaue Lage wissen wir erst, wenn wir die Rückenfalte gemacht haben, die bei Garsault erst unter 287 kommt: Von den 30 cm**, die wir zur Oberweite hinzuaddiert hatten, geht etwa die Hälfte in diese Rückenfalte hinein.

Falte also den Stoff wieder auseinander und dann entlang der hinteren Mitte rechts auf rechts. Sichere die beiden Lagen gegen verrutschen. Markiere im Rückenteil eine Linie vom Halsauschnitt bis auf Höhe der Taille im Abstand von ca. 7 cm vom Faltenbruch und parallel dazu. Nähe mit Rückstich an dieser Linie entlang.

Falte den Rücken wieder auseinander – linke Seite nach oben – und zieh das eben abgenähte Teil so zu beiden Seiten auseinander, daß der ehemalige Faltenbruch auf die Naht zu liegen kommt. Du hast nun eine vom Hals bis zur Taille zugenähte Kellerfalte, die in Taillenhöhe aufspringt. Bügle sie flach.

So, nun wissen wir, wieviel Breite vom Halsausschnitt noch übrig bleibt. Reicht das noch, um die Breite des Halses unterzubringen? Wahrscheinlich nicht, weil von den ursprünglich 20 cm Breite nur noch 5-6 übrig sind. Schneide also die Querschnitte noch etwas tiefer ein, etwas weniger tief (wegen der Nahtzugaben) als die Breite Deines Halses. (Das ist das Maß, das sich ergibt, wenn Du Deinen Hals mit einer Schieblehre ausmißt.)

287. Macht in jedes Vorderteil eine Falte auf der rechten Stoffseite a fig. 11, die von oben nach unten am Rand entlangläuft; befreit den Hals durch eine Falte c darinnen; macht einen Schlitz unterhalb des Ursprungs der Ärmel, um darein den Keil m einzusetzen; schneidet die Seiten a a fig. 9 nach dem Maß; laßt den Rest d fig. 10 für die Falte h h, fig. 8 & 9. Man schneidet weiter werdend bis zum Saum, so man keine Falte will.
Macht auch eine Falte g fig. 8 zur linken Stoffseite in der Mitte des Rückens, die Ihr nur bis gerade unterhalb der Taille zunäht. Die Naht muß in der Mitte des Rückens verlaufen: man sieht in fig. 9 den Effekt dieser zurücktretenden Falte von außen.

Wenn feststeht, wie lang die Quer-Schnitte [DE] sein müssen, kann es auch an den Winkelschnitt gehen: Vom Ende der Quer-Schnitte schneidest Du im rechten Winkel bis zur Schulterlinie, d.h. ins Vorderteil ([EF], schau noch mal ins Schnittdiagramm oben). Da wir vorhin 8 cm weit über die Schulterlinie hinausgeschnitten haben, muß dieser Schnitt also auch 8 cm lang sein*. Dadurch stehen nun von denVorderteilen zwei "Stummel" hoch (Im Diagramm D-E-F). Und jetzt leg das Diagramm lieber weg.

Nun müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie der Kragen aussieht. Dieser Teil hat schon einige Leute fast in den Wahnsinn getrieben, und ich glaube inzwischen zu wissen, warum: Einerseits hat Herr Garsault vermutlich ein Schnitteil unterschlagen, andererseits verwirrt das Diagramm von jetzt an***, und ich Hirsch habe bisher trotzdem mit den Buchstaben aus dem Diagramm operiert. Nun kommt der neue und hoffentlich verbesserte Teil.

Folgende Begriffe möchte ich für diesen Abschnitt definieren:

  • hinterer Halsausschnitt: Das ist die gerade Kante oben im Rückenteil, die Du gerade erst auf die Breite Deines Halses justiert hast.
  • Stummel: siehe zwei Absätze weiter oben: Wenn Du das Manteau entlang der Schulterlinie faltest, stehen dank des Winkelschnitts in jedem Vorderteil zwei 8 cm hohe Enden über die Schulterlinie hinaus.

Schneide also ein Rechteck, so lang wie der hintere Halsausschnitt (plus doppelte Nahtzugabe) und so breit wie die Stummel (ohne Zugabe). Die Breite der Stummel wird als Schalkragen am Hals hochstehen, ist dafür aber viel zu breit (bzw. hoch). Deshalb gehe ich davon aus, daß er der Länge nach auf Hälfte umgeklappt wird, ähnlich wie Kimono-Kragen, die auch ca. 15 cm breit geschnitten sind, aber um den Hals herum umgeklappt werden, so daß sie dort nur noch 7,5 cm hoch stehen.

Bevor Du nun die Schmalseiten des Kragenstücks an die Enden der Stummel nähst, solltest Du entscheiden, ob Du den Kragen nach innen klappen willst, wie es bei Kimonos der Fall ist, oder nach außen. Garsault ist bei der Entscheidung leider keine Hilfe: Das mußt Du mit Dir selbst ausmachen.

Daß der Kragen überhaupt als Schalkragen gearbeitet und umgeklappt wird, läßt sich nicht unmittelbar aus dem Garsault-Text herauslesen, aber wenn man die Anleitung nachzuarbeiten versucht, ergibt sich das als wahrscheinlichste Lösung. Das Umklappen nach innen oder außen ist mithin erst recht Geschmackssache. Je nachdem, wie Du den Kragen umklappen willst, solltest Du die Nähte entweder mit den Zugaben außen oder innen machen, damit im umgeklappten Zustand die Zugaben versteckt sind. Falls Du das MdL fütterst, ist ein Umklappen nach außen erste Wahl, weil man dann das Futter am Kragen und evtl. an umgeschlagenen Ärmelenden sieht, was bei einem schönen Futter - möglichst in kontrastierender Farbe - ziemlich geil aussehen kann.

Wenn nun die Schmalseiten des Kragenstücks an die Stummel genäht sind, dann ergibt es sich fast von allein, daß die Unterkante des Kragenstücks an den hinteren Halsausschnitt genäht wird. Der Winkelschnitt wird zur Verlängerung des hinteren Halsausschnitts und wird dementsprechend zugenäht.

288. Schneidet das Futter & heftet es auf den Stoff.

Ein Manteau de Lit muß nicht gefüttert werden, kann aber. Füttern ist eigentlich nur sinnvoll, wenn das MdL warm sein soll, und dann sollte der Futterstoff eine leichte Wolle sein, oder vielleicht eine hübsch gemusterte Baumwolle, die dann am nach außen gewendeten Schalkragen und den Ärmeaufschlägen sichtbar wird. Leinen wärmt nicht und ist schwer. Es scheint, als ob Garsault davon ausgeht, daß das Futter extra gefertigt und dann in das MdL eingesetzt wird. Das eröffnet die Chance, das MdL so zu machen, daß man es wenden kann.

Das füttern sollte dann aber warten, bis alles fertig ist, und das ist noch nicht der Fall.

289. Näht die Falten, nämlich, jene die von der Taille bis zum Saum gehen; näht die Vorderteile am Rückenteil fest; die Keile, die Unterseiten der Ärmel, den Kragen, die Schulterstücke an die beiden Enden des Kragens; näht die beiden Stücke an, die die Länge des Ärmels vervollständigen; so sie en pagode sind (a a fig. 12), sind diese beiden Stücke länger: Die Falten der Pagode müssen so gelegt werden, daß sie auf der Unterseite der Arme schmaler sind; das gibt ihnen die Wendung, wie man sie in fig. 12 sieht, welche das fertiggestellte M.d.L. darstellt.

Die Ärmel macht man so fertig, wie es für Frauenhemden beschrieben ist, inklusive des Achselkeils (im Originalschnitt der Keil m; ignoriere die Tatsache, daß Garsault ihn als Raute darstellt), und setzt sie wie dort beschrieben ein. Dafür muß man keinen Schlitz machen, wie Garsault (287) schreibt, da an dieser Stelle sowieso Nähte verlaufen. Falls die Ärmel wegen zu geringer Stoffbreite recht kurz ausfallen, verwendet man die zuvor weggeschnittenen, L-förmigen Teile, um sie zu verlängern (bei Garsault unter 289: "die Länge des Ärmels vervollständigen"). Man kann, muß aber nicht, ein paar Falten in die Ärmel machen, nämlich etwa da, wo die Ellbogenbeuge ist. Man näht sie nur in der Ellbogenbeuge fest und erhält so die von Garsault erwähnte Pagode. Ganz gerade Ärmel sind aber auch möglich.

Nähe nun die Senkrechte zwischen Taille und Saum zu. Bedenke, daß Du an der Oberkante des Rockteils ziemlich viel zugegeben hast, d.h. die Taillenlinie liegt 2-4 cm tiefer als die Oberkante des Rockteils. Nun sind nur noch die im Schnitt als Rockteil bezeichneten Teile übrig. Die werden so behandelt wie die Taillenfalten einer Contouche. Richte Dich nach der Anleitung dort (die Bilder zeigen tatsächlich ein MdL). Näh zuerst die senkrechte Außenkante zu. Bedenke dabei, daß die oberen ca. 20 cm für einen Taschenschlitz offen bleiben sollten, falls die Jacke recht lang ist, also hefte im oberen Bereich nur. Du könntest dort auch gleich offen lassen, aber das erschwert das Faltenlegen. Näh die Falten ca. 1 cm unterhalb ihrer Oberkanten mit Vorstich an und achte darauf, daß die Stiche auf der Außenseite kaum zu sehen sind.

290. Man schließt, indem man den Saum einfaßt, & oben Bänder als Verschluß anbringt.

Nun noch die Kanten (Vorderkante, Ärmelenden, Saum) versäubern (bei anständig filziger, nicht fransender Wolle nicht nötig) und die Sache ist theoretisch fertig. Je nachdem, wie weit das MdL geschnitten ist und wie Du es zu tragen gedenkst, kannst du auf Brusthöhe Bindebändchen anbringen, es mit großen Stecknadeln zustecken oder die Vorderkanten übereinanderschlagen und das MdL nur auf Taillenhöhe durch die darübergebundene Schürze zusammenhalten lassen. Andere Verschlußmethoden gibt es nicht.

Außer dem Manteau de Lit, das aus der obigen Anleitung resultiert, erwähnt Garsault im Nebensatz auch Varianten, für die sich Beispiele in Museen erhalten haben. Zum einen kann man den Rockteil, anstatt ihn rechtwinklig nach außen zu schneiden und dann an der Taille in Falten zu legen, schräg nach außen schneiden und schlicht zunähen (287: " Man schneidet weiter werdend bis zum Saum, so man keine Falte will"). Diese Art, den Schoß zu gestalten, tritt meist gemeinsam mit einem runden Halsausschnitt anstatt eines Schalkragens auf. Beispiele dafür finden sich z.B. in Malmö, aber auch in "Costume Close up". Hingegen haben sich MdL nach Garsault-Schnitt (d.h. mit Schalkragen und gefaltetem Rockteil) meines Wissens nicht erhalten. Da die Teile aus Malmö, wenn ich mich recht entsinne, allesamt aus Seide sind, und das aus "Costume Close Up" aus Baumwollchintz, könnte man folgern, daß MdL für die "besseren Kreise" meist von der Schräger-Schoß-und-runder-Hals-Fraktion waren, während die oben beschriebene Variante eher vom gemeinen Volk getragen wurde, dessen Kleidung nur selten erhalten blieb. Andererseits war das Garsault'sche MdL wegen seiner rechtwinkligen Schnittkanten besonders gut geeignet, um später zu etwas anderem umgearbeitet zu werden. Aus eben diesem Grund sind vom Manteau des späten 17. Jh. so wenige Exemplare erhalten, obwohl es sehr weit verbreitet gewesen sein muß.

Für das Manteau de Lit gibt es von diversen US-Anbietern Schnitte, die - genau wie diese Seite - alle auf den Stichen und Texten von Garsault basieren. Die mußten ebensoviel raten wie ich, d.h. wenn sie sagen "so und so muß es sein", dann ist das das Ergebnis von rumexperimentieren, wie ich es gemacht habe, basiert aber ebensowenig auf gesichertem Wissen wie die obige Anleitung. Es könnte sich trotzdem lohnen, einen solchen Schnitt zu kaufen, da er für die Dinge, die Garsault im Unklaren gelassen hat, evtl. andere Lösungen anbietet, die besser sein könnten als meine. Ich kenne diese Schnitte nur vom Hörensagen, und dieses empfiehlt die Schnitte von Kannink's Korner und J.P. Ryan - siehe Bezugsquellen.

 

*) Ich bin mir nicht ganz sicher, ob und warum es 8 cm sein müssen, denn so, wie ich die Garsault-Anleitung interpretiere, müßte eigentlich auch ein kürzerer Schnitt reichen - nämlich so lang, wie an Nahtzugabe nötig ist, um ein Kragenteil anzunähen. Aber vielleicht hat es einen Sinn, den ich nicht begreife, also mache ich es eben so wie gefordert. Bei einem Stoff, der nicht versäubert werden muß, ist es sowieso egal.

**) Wenn irgendwo das Maß von 30 cm mit zwei Sternchen auftaucht, solltest Du für einen losen Sitz stattdessen 40-50 cm annehmen.

***) Falls Du wissen willst, warum: Die Strecke EE' spielt eine große Rolle beim Kragen, aber wegen der Falte im Rücken ist sie für Rücken- und Vorderteil jetzt unterschiedlich lang.

Quelle: de Garsault, M. L'art du tailleur. Neuchâtel 1780 (Nachdruck der Erstausgabe von 1769)
Das Bild ganz oben stammt aus der Reihe "Les Cris de Paris", abgestaubt von The Costumer's Manifesto

Wednesday, 29-Apr-2015 01:43:14 CEST