Teil 4: Zuschnitt der Robe
Die senkrechten Linien des Schnittes liegen fadengerade.
Fangen wir erstmal damit an, die Schnittdiagramme in einen originalgroßen Schnitt zu verwandeln. Das Prinzip ist hier erklärt (Koordinatenschnitt). Die Schnitteile müssen, wie gesagt, an den Dreifachpfeilen verlängert werden. Die waagerechte Verlängerung im Rückenteil (gemessen ab Zentimeter 53 im Schnitt) sollte so um die 70-80 cm lang sein, d.h. das halbe Rückenteil ist insgesamt ca. 135 cm breit.
Die Länge für das Rückenteil ist einfach: Sie entspricht ungefähr der Körpergröße. Dabei springt eine kleine Schleppe raus - das Minimum, denn ein bißchen Schleppe sollte eine Française immer haben. Große Leute sollten noch etwas zugeben (der Proportion wegen), also z.B. 180 cm bei Körpergröße 170 und 200 cm bei 180 - aber das ist nur eine grobe Schätzung. Wer mehr Schleppe möchte, gibt je nach Körpergröße nochmal 20 bis 50 cm zu. Schneide das Papierteil bei der entsprechenden Länge gerade ab, denn der Saumverlauf wird später bestimmt.
Für das Vorderteil miß von der Taille seitlich über das Panier bis zum Boden. Genau so lang muß dein Vorderteil von der Taille runter sein. Mach den Schnitt so, daß die Länge des Vorderteils von dieser seitlichen Länge bestimmt wird. An der Stelle lohnt es sich nicht, mit dem Stoff zu knapsen - auch wenn Du da sparsam schneidest, geht aus dem Rest nichts G'scheites raus. Vergleiche auch die Ärmelweite und -länge mit Deinen Maßen: Enger und kürzer geht immer, weiter und länger nicht. :)
Nun vom Papierschnitt zum Stoff-Schnitt. Wie man den Schnitt am sparsamsten auf den Stoff puzzelt, kommt natürlich auf die Stoffbreite an. Beginne am besten mit dem größten Teil (dem Rücken), gefolgt von den Vorderteilen, und hebe dir die kleineren für den Schluß auf.
Selbst auf die größte Standard-Stoffbreite von 150 geht das Rückenteil nur einmal drauf, wenn man den Stoff ausbreitet (Bild rechts). Bei der oben ermittelten Breite von 135 cm hätten wir einen Rest, aus dem sich nichts Vernünftiges machen läßt, also halten wir es so, wie man es im 18. Jh. getan hätte*: Wir nutzen die Stoffbreite voll aus und verbreitern Rockteil und Rücken bis zur vollen Stoffbreite: Die 135 cm waren ja nur das empfohlene Minimum; mehr schadet nicht.
Bei einem nur 90 cm breiten Stoff ist es auch nicht so schwer: Oben hatten wir zwei Hälften à 135, macht zusammen 270. Mit drei Bahnen à 90 kriegen wir diese Breite hin. Schneide zwei Bahnen nach dem angegebenen Schnitt so weit der Stoff reicht; die mittlere Bahn wird ein simples Rechteck in voller Stoffbreite sein. Da Stoffe früher meist unter 80 cm breit waren, ist Stückeln absolut authentisch.
A propos Stückeln: Das war im 18. Jh. eine durchaus gängige Methode, mit dem Stoff sparsam umzugehen, also scheue Dich nicht, sie anzuwenden. Im Rahmen der Pompadour-Ausstellung zeigte das Bayerische Nationalmuseum ein Kleid aus seinem Bestand, das an durchaus exponierter Stelle (der Compère) heftigst aus z.T. nicht mal handtellergroßen Teilen zusammengestückelt war, ohne Rücksicht auf das Muster.
Die Vorderteile sind im Schnittmuster 60 cm breit. Auch hier solltest du die Stoffbreite voll nutzen: Bei 150 cm Breite, auf Hälfte (=75 cm) gelegt, kann man dem Rockteil ordentlich Weite zuschlagen, und auch an der Vorderkante sind ein paar Zentimeter mehr evtl. nicht verkehrt. Bei einem Stoff von 90 cm hingegen bleiben seitlich fast (Nahtzugabe!) 30 cm übrig, aus denen Ärmelvolants werden können.
Wenn Du die großen Teile in zwei Sitzungen ausschneiden mußt, weil nicht zwei auf einmal aus der Stoffbreite rausgehen, dann paß auf, daß das Muster bzw. der Strich nicht in der einen Hälfte nach oben, in der anderen nach unten läuft. Ist das Muster auch noch nach rechts und links asymmetrisch, mußt Du auch noch aufpassen, daß Du eine rechte und linke Hälfte schneidest.
Dort, wo im Schnitt "viel Zugabe" steht, solltest Du mindestens 5 cm Zugabe lassen (bei kurzer Taille mehr), an der Schulterlinie des Vorderteils lieber sogar 10 cm. Verlängere dort den schrägen Verlauf der Ärmelkugel geradeaus (entlang der kleinen Pünktchen, die links an der 26 vorbeilaufen). Und laß am Saum ruhig nochmal 5 cm gerade sein. Gib am Armausschnitt auch noch mal ein bißchen extra. Kann nicht schaden, und wegschneiden kann man den Überschuß immer.
Sind die großen Teile (Rücken- und Vorderteile) aus dem Weg, miß vom anderen Ende des Stoffes aus die Menge ab, die Du für den Unterrock brauchen wirst. Denk auch beim Unterrock daran, daß er seitlich über das Panier hängen wird, d.h. du mußt von der maximalen Rocklänge ausgehen, die auch schon die Länge des Vorderteils bestimmt hat. Markiere das Ende dieses Bereichs, aber noch nicht schneiden! Leg erstmal vom schon angeschnittenen Ende her die kleinen Teile auf den Stoff, um sicherzugehen, daß es reicht. Wenn Du genug Stoff gekauft hast, gehen aus dem, was übrig bleibt, die kleineren Teile (Ärmel und Ärmelaufschläge bzw. -volants und evtl. Rockvolants) mehr oder minder leicht raus. Wenn Du mit den kleinen Teilen bis in den für den Unterrock reservierten Teil reinkommst, mußt Du wohl die Sparversion des Unterrockes (siehe Teil 1) machen.
Im Bild rechts ist zu sehen, was ich beim Zuschneiden eines Rückenteils anzeichne: Armloch, Seitennaht, obere Rockkante. Alles andere sind fadengerade Kanten. Beim Vorderteil ist es ganz ähnlich. Alles Weitere ergibt sich durch drapieren.
Nächster Schritt: Drapieren der Robe
*) Ich meine nicht, mit dem Stoff zu hausen, indem man mehr Stoff
verwendet als nötig - sondern das, was man hat, voll auszunutzen, anstatt
Verschnitt übrigzulassen. Damals kostete der Stoff für eine Robe pro
Meter mitunter das zehnfache des Arbeitslohns für das Nähen derselben;
ein paar Meter feines Leinen waren es wert, in der Vermögensaufstellung
erwähnt zu werden. (siehe Defoe: Moll Flanders, 1720)