Teil 6: Ärmel und sonstiges
Nun muß die Oberkante der Rückenfalten verdeckt und versäubert werden. Im Zusammenspiel mit dem Folgenden reicht die bisherige Heftung, um sie am Platz zu halten. Das Versäubern macht man mit einem trapezförmigen Streifen Oberstoff, der oben so breit ist wie die waagerechte Oberkante, unten um mehrere Zentimeter breiter, jeweils plus Zugabe. Lege den Streifen von innen gegen Futter und Oberstoff (Außenseite des Streifens zum Futter hin), nähe ihn 0,5-1 cm unter der Kante fest, knicke die seitlichen Zugaben um und schlage den Streifen nach außen. Stecke ihn knapp unterhalb der Kante fest, straff um die Kante rum. Die schrägen Seitenkanten sollten in etwa parallel zu den Schulternähten des Futters verlaufen. Wie breit und hoch der Streifen wird, hängt davon ab, wie viel es an Schnittkanten zu verdecken gibt, falls die Zugabe am Vorderteil nicht ganz gereicht hat. An erhaltenen Gewändern sind die Deckstreifen irgendwo zwischen 2 und 4 cm hoch; die schrägen Seitenkanten liegen nicht immer ganz parallel zu den Schulternähten. Schlage die Zugaben ordentlich nach unten um. Wenn die äußerste Ecke auf die Kante der Robings-Falte trifft, ist das schön, aber es muß nicht sein. Nähe den Streifen von außen so fest, daß man von außen die Stiche kaum sieht.
Die Ärmel werden wie üblich zusammengenäht. Offenbar gehen manche Anleitungen, die kommerziellen Schnitten beiliegen, von einem gefütterten Ärmel aus, und es gab auch die eine oder andere Robe mit gefütterten Ärmeln (z.B. gleich die erste in "Costume Close Up"), aber der Normalfall scheint das nicht gewesen zu sein. Laß das Futter also lieber weg: Bei einem anständigen Stoff braucht man es nicht. Anderenfalls müßtest Du es bei der Ärmelweite berücksichtigen.
Eine Seite der Ärmelkugel ist gerader - da ist hinten. Der hintere Knick im Ärmelkopf trifft ungefähr auf die Naht zwischen Vorder- und Rückenteil. Stecke/hefte von dort aus nach unten und glatt um die Achsel rum. Die Ärmelnaht muß nicht auf die Seitennaht treffen! Hefte bis zum vorderen Knick und lege den Rest in kleine Fältchen. Der Faltenteil macht etwa 4-5 cm oben auf der Schulter aus. Ist der Ärmel richtig eingesetzt, liegt der kürzeste Teil der geschwungenen Unterkante in der Armbeuge, der längste außen am Ellenbogen. Genau da endet der Ärmel (nach Versäubern durch doppeltes Umlegen) auch jeweils. Nicht länger, nicht kürzer, sondern in der Armbeuge bzw. am Ellenbogen. Falls das nicht der Fall ist, kannst Du den Ärmel noch etwas drehen. Überhaupt solltest Du, wie bei jedem anderen Schnitt, im Zweifelsfall den Ärmel so lange drehen, bis er paßt.
In der Zeit, für die dieser Schnitt gemacht ist, gibt es zwei Möglichkeiten, den Arm abzuschließen: Bis um ca. 1750 ist es der Aufschlag, den ich "Flügel" zu nennen pflege (unten links), und der sich in der Kleidung der einfacheren Frauen (v.a. in Bürgertrachten) bis um 1780 hielt. Die "französische Tracht" (wie man die herrschende Mode damals oft nannte) bevorzugte ab ca. 1750 den Volant und ab ca. 1755 war der Volant ein must (unten rechts). Im Schnitt angegeben sind die dreifachen Volants; im Zweifelsfall mach solche.
Ein Flügel sollte einmal aus Oberstoff, einmal aus Futter (oder zweimal aus Oberstoff) zugeschnitten werden sowie bei wenig steifen Stoffen noch einmal aus einer steifenden Zwischenlage - der Flügel sollte stehen, nicht hängen. Näht man den Flügel aus zwei Lagen Oberstoff, kann man die Lagen Kante auf Kante zusammennähen. Ein andersfarbiges Futter sollte nicht ganz bis zur Kante reichen. Der Schnitt? In der einfachsten Form schlichte Rechtecke, Höhe zwischen 15 und 25 cm und Breite 50-65 cm. Faustregel: Je früher, desto größer.
Wenn die Naht geschlossen und die Lagen aufeinandergesetzt sind, werden die drei (bei kleinen Varianten manchmal nur zwei) Falten gelegt, die ihn in Form bringen. Sie haben ihre tiefste Stelle an der Naht, laufen allmählich aus und enden ein par cm vor der hinteren Mitte. Die Faltenbrüche schauen nach oben. Nähe die Falten von außen mit kleinen Stichen fest und setze den Flügel dann ein paar cm über der unteren Ärmelkante auf. Die Befestigungsnaht sollte nahe der Oberkante des Flügels sein und nur bis zur Seite des Ärmels reichen. Hinten hängt der Flügel lose und offen.
Volants sehen halbwegs richtig aus, wenn sie mit einer Zickzackschere ausgeschnitten werden. Eigentlich sollten die die Ränder aber lauter winzige Rundungen sein, die damals mit Hilfe eines sog. Zäckeisens gestanzt wurden. Darüber, wie man das macht, gibt es inzwischen eine extra Seite. Der obere Rand der Volants wird eingereiht und dem Ärmel von außen ein wenig oberhalb des Ärmelsaums so aufgesetzt, daß der längste Teil am Ellbogen ist und der kürzeste auf der Innenseite der Armbeuge. Die Aufsetztnaht kommt ziemlich genau auf Höhe der Armbeuge zu liegen. Die Oberkante wird nach Belieben mit einem Band abgedeckt oder (häufiger) mit Köpfchen aufgenäht. Dabei sitzt der größte Volant zuunterst, der kleinste zuoberst. Wenn der Oberstoff recht steif ist, ist es ratsam, den obersten Volant gesondert einzureihen und aufzusetzen. Das ergibt eine dichtere Kräuselung und sieht einfach besser aus.
Nun kommt die letzte Anprobe und Saumbestimmug: Ziehe das Kleid samt Reifrock an und laß dir die Länge abstecken. Idealerweise hast Du jetzt schon einen Unter-Unterrock fertig (nach derselben Machart wie die Jupe) und ziehst den auch an, damit die Robe nicht schlapp herunterhängt, sondern unten etwas ausstellt. Das beeinflußt die Länge um ein paar Zentimeter. Der Saum der Robe ist an der vorderen Rockkante ein bißchen länger als die Jupe, also 3-5 cm über Boden. Näher am Boden ist unpraktisch, weil man ja beim gehen etwas auf- und abwippt und dann öfters mal auf den Saum tritt. Das machen andere, besonders bei der Schleppe, schon oft genug! Weiter weg sieht man zu viel Fuß. Seitlich ist der Rock eine Idee länger, maximal gerade bodenlang. Für die hintere Länge mach noch einmal das mit dem Schritt nach vorn, wie es im Kapitel Zuschnitt steht. Auf Bildern sieht man, wie das aussehen muß. Mit einer Markierung an der Vorderkante, einer seitlich und einer hinten ist das Abstecken schon fertig. Breite den Rock glatt aus und zeichne eine nur leicht geschwungene Linie von der Markierung an der Vorderkante zu der an der Seite. Von der hinteren Mitte aus geht die Linie erst ein Stück flach, wird dann steiler und schließlich zu Seite hin so flach wie die Linie zwischen Vorderkante und Seite. Das alles muß nicht genau sein, nur die Linie muß harmonisch glatt verlaufen.
Wenn Du für diese Anprobe die Robe anziehst, stecke zuerst noch ein Stück Pfuistoff vorn aufs Korsett, bevor Du die Vorderkanten der Robe festpinnst. Damit kannst du einen Schnitt für den Stecker machen: Markiere die Oberkante des Korsetts und die Vorderkanten der Robe auf dem Pfuistoff. Das untere Ende des Steckers liegt etwa auf Höhe der unteren Korsettspitze. Gib an den Seiten noch einmal je 2 cm als Untertritt zu und an der Oberkante je nachdem, wie groß Du das Dekolleté willst. Nach diesem Schnitt schneidest Du den Stecker zweimal aus festem Basisstoff (ohne Zugaben) und einmal aus Oberstoff (mit Zugaben überall, breit genug, um sie nach hinten um- und unterzuschlagen). Lege zwischen die zwei Lagen Basis Fischbeinstäbe, die nach oben hin auffächern, sowie zwei bis drei Querstäbe. Das Fischbein für den Stecker sollte von der flexiblen Sorte sein, z.B. 5 mm breites Plastikfischbein oder Peddigrohr gleicher Breite. Alternativ kannst Du auch eine Zwischenlage aus festem Leinen benutzen, die Du mit Weißleim einstreichst. Hauptsache, der Stecker kann allein stehen, ist aber flexibel genug, um sich ohne Gegenwehr auf die Schnürbrust stecken zu lassen. Lege den Oberstoff auf und schlage die Zugaben nach hinten um. Optional kann man Futter von hinten gegensetzen. Befestige an jeder Seite zwei oder drei kleine Laschen, durch die Du den Stecker am Korsett feststecken kannst. Dekoriere ihn nach belieben mit Stickerei, Schleifen, Rüschen, Spitze... Die Skizze zeigt, wie die Stäbe verlaufen, sowie die Laschen.
Ist die Robe für vor 1750/55 gedacht, ist sie damit eigentlich fertig. Für spätere Dekaden sollte unbedingt eine Garnitur aus Volants her. Dafür schneidet man möglichst lange und ca 4 cm breite Streifen mit der Zickzackschere (oder man zäckt sie aus) und legt sie entlang der Mitte in Quetschfalten oder reiht sie. Sie werden entlang der Vorderkante von Oberrock und Oberteil befestigt und laufen um den Nacken, wo sie die Oberkante der Watteaufalten abdecken. Man kann auch einige dieser Steifen in Wellen und Schnecken auf Ober- und Unterrock verteilen. Schau Dir ein paar Bilder an und laß Dich inspirieren!
Es empfiehlt sich, den Saum von innen mit einem relativ stabilen, billigen und möglichst glatten Stoff zu belegen, der nicht viel schwerer sein sollte als der Robenstoff. Das schützt nicht nur vor Schmutz, sondern vor allem vor Abrieb: Durch das ewige Schleifen über rauhen Untergrund wird der Stoff filzig gerieben und zieht mitunter gar Fäden, was man auch auf der Oberseite sieht. Die Unterkante des Belegstreifens darf, wenn er farblich harmoniert oder ganz neutral ist, ein paar mm unter dem Saum hervorschauen. Das schützt die Kante zusätzlich. Die Oberkante muß man sehr vorsichtig annähen, damit man die Stiche von außen nicht sieht. Die Stiche dürfen aber auch nicht so klein sein ("einen Faden aufnehmen"), daß der Oberstoff durch die Belastung (Gewicht des Schutzstreifens + Reibungswiderstand) beschädigt wird. nimm lieber fünf Fäden auf! Da unten fällt das sowieso nicht auf, wenn der Faden farblich paßt.
Nächster Schritt: Unterrock