Die Herstellung eines Rokoko-Korsetts
Teil 1: Das Material

 

 

Eine Schnürbrust muß aus mindestens zwei Lagen (die Basis-Lagen) gefertigt werden, zwischen die die Stäbe geschoben werden. Das Ergebnis ist dann zwar nicht hübsch, aber wenn es nur darum geht, die richtige Form zu erreichen, funktioniert es. Üblicher sind drei oder vier Lagen: Eine Lage Oberstoff und zwei Lagen Basis, oder eine Lage Oberstoff, zwei Lagen Basis und eine Lage Futter.

Die Basis sollte steif und kräftig sein, aber auch gut atmen. Geeignet ist alles kräftige, dichtgewebte, das nicht dehnbar ist: alte Bettlaken (sofern sie noch nicht mürbe sind) oder Mangeltücher, Leinwand, Drell, Jeansstoff. Je kräftiger und steifer, desto besser. Die besten Erfahrungen hatte ich bisher mit festem Baumwollköper, der im Grunde das gleiche ist wie Jeansstoff, nur eben nicht blau gefärbt.

Für den Oberstoff geeignet sind Wolle, Leinen und Seide. Will man einen gemusterten Oberstoff, sollte man zu Seidendamast oder -brokat greifen. Es ist wohlgemerkt nicht nötig, gemusterte Stoffe zu wählen, denn einfarbige Stoffe waren durchaus üblich. Grundsätzlich ist es egal, wie steif der Oberstoff ist (für die Steifigkeit sorgt ja die Basis), aber feste bzw. steife Stoffe lassen sich leichter glatt und ohne Wellen auflegen. Bei einem sehr glänzenden Stoff wie Satin zeigen sich kleine Wellen allzu deutlich (deshalb rate ich von Satins ab, sofern es nicht Duchesse ist), also sind matte Stoffe besser. Als Futter ist Leinen nicht nur authentisch, sondern auch klimatisch gut. Baumwolle geht aber auch.

Als Futter weißes oder naturfarbenes Leinen bzw. Baumwolle.

Faustregel für die Stoffmenge: Pro Lage 50 x 150 cm. An Basisstoff also 100 x 150, weil doppelt.

Welche Stärke Fischbein am geeignetsten ist, variiert je nach Größe des Korsetts und ob es halb- oder vollsteif sein soll; die Menge variiert nach diesen beiden Variablen und der Stärke. Deshalb ist es schwer, eine Menge anzugeben. Da wir aber hier von halbsteif ausgehen, empfehle ich grob geschätzt 8-11 Meter Plastikfischbein bei 10 mm Breite und 1 mm Dicke, wobei der höhere Wert ungefähr Konfektionsgröße 44 entspricht. Genauere Angaben zum Thema "Art und Menge der Fischbeins" habe ich wegen der Komplexität des Themas auf eine extra Seite ausgelagert.

Zur Versäuberung der Kanten braucht man, je nach Größe und Anzahl der Zaddeln (das sind die gerundeten Lappen am unteren Ende) 5-7 Meter Band. Da man das Band um Kurven und Knicke herumbiegen muß, ist Schrägband am geeignetsten. Das fertige Baumwoll- oder Satinschrägband aus der Kurzwarenabteilung ist aber relativ steif und breit, so daß man am oberen Ende der Zaddelschlitze, wo es eng wird, ziemlich ins Fluchen kommt. Besser ist es, aus dem Oberstoff oder irgendeinem anderen dünnen Stoff selber Schrägstreifen von 3 cm Breite zu schneiden. Die Kanten bügelt man ca. 5 mm breit um, so daß das Band am Ende 18-20 mm breit ist. Man kann auch Taftband nehmen, was einem das umbügeln erspart, aber dafür gibt es Taftband eventuell nicht in der richtigen Breite (15 mm ist ein bißchen knapp) oder Farbe. Außerdem ist es gerade gewebt, legt sich also nicht so leicht um Kurven, und das Material ist unauthentisch (das normal erhältliche ist immer Poly oder Acetat). Mein Favorit allerdings ist Leder (siehe vollsteife Variante). Farblich sollte das Band natürlich zum Oberstoff passen, also entweder genau die gleiche Farbe haben oder eine völlig andere, die damit harmoniert.

Natürlich braucht man auch Nähgarn. Solang es nur um das Zusammennähen der Teile geht, ist dazu nichts besonderes zu sagen. Dito, wenn die Tunnel nicht sichtbar sein sollen, was ja hier der Fall ist. Authentiker sollten für beides Leinengarn wählen. Für die Schnürösen empfehle ich Knopflochseide*, Leinengarn geht aber auch gut. Farbwahl wie beim Versäuberungsband, vorzugsweise zu diesem passend. 10 Meter reichen für reine Rückenschnürung; für Vorder- und Rückenschnürung das doppelte. Metallösen zum Einschlagen sind nicht geeignet: Die gab es erst ab 1830 herum. Gleiches gilt für Korsettschließen wie diese.

Dann braucht man noch Band zum schnüren. Ich favorisiere 5 mm breites Satinband, weil das schön glatt ist und besonders gut durch die Ösen rutscht. Es ist locker pfeifend fest genug. Leider ist es kaum aus Seide zu bekommen, also nicht authentisch. Wenn Du also seidenes, 5-7 mm breites Band findest, kauf es! Das nächstbeste ist spezielles Korsettband aus Baumwolle.

Zum Schneiden des Plastikfischbeins eignet sich jede kräftige Schere (bitte nicht die Stoffschere, die würde zu sehr abstumpfen!), aber man kann auch mit einem scharfen Messer (z.B. Teppichmesser) einen Einschnitt machen, der dann, wenn man die entsprechende Stelle knickt, als Sollbruchstelle wirkt. Beim 5x1mm-Plastikfischbein, wie man es für die vollsteife Variante braucht, habe ich sogar mit einer Nagelschere gerarbeitet: Ein kleiner Einschnitt an der Seite reichte für eine Sollbruchstelle aus. Die Ecken sollte man - mit Schere oder Messer - abschrägen. Sie auch noch rundzufeilen, ist nicht nötig, wenn man mit zwei Lagen Basis arbeitet und ausreichend kräftige Haltenähte legt. Für Stahlstäbe ist eine Blechschere oder ein Seitenschneider am geeignetsten. Die Schnittkanten sind dann aber so scharf, daß sie sich sofort durch jede Naht schneiden, also muß man sie abstumpfen. Feilen kann man nicht so gut, wegen der Kunststoffummantelung, und es ist mühsam. Im Fachhandel gibt es dafür Endkappen - bestelle sie gleich mit, wenn Du das Stahlband kaufst. Alternativ wird in Amiland speziell für diesen Zweck "tipping fluid" angeboten, aber es ist sicherlich billiger, die Enden in dickflüssigen Lack oder ähnliches zu tauchen - notfalls halt mehrfach, bis die Schicht dick genug ist. Man kann auch die Enden mit Isolierband oder Leukosilk umwickeln, aber das schützt, anders als der Lack, nicht völlig vor Rost. Andererseits: Wenn man das Korsett nicht waschen will, ist das egal.

Zum Anzeichnen der Nähte und Stabtunnel empfehlen sich Stifte, die möglichst genaue, schmale Linien ergeben. Da bei der hier vorgestellten Variante die Tunnel nicht außen sichtbar sein sollen, eignen sich dafür alle möglichen Sorten Blei- oder Filzstifte und Kugelschreiber. Schließlich noch ein möglichst genaues Lineal.

 

Teil 2: Der Schnitt

 

*) Ich bin nun schon mehreren Leuten begegnet, die gar nicht wußten, daß es Knopflochseide auch aus richtiger Seide gibt. Doch, gibt es. Von Gütermann, in 10-Meter-Rollen. Gib Dich nicht mit weniger zufrieden!